Der Unfall

Cathi im Mah k'ina Sonnabend, 04. Juni 2005. Es ist 04:52 Uhr. Auf der B 96 zwischen Lietzow und Ralswiek rast ein BMW M3 Cabrio mit über hundert Kilometern pro Stunde Richtung Bergen. Der Fahrer hat getrunken. Er dürfte um die 1,75 Promille Alkohol im Blut haben (gegen sechs Uhr wird eine Blutprobe von ihm 1,65 Promille ausweisen und reichlich eine halbe Stunde später sind es immer noch 1,57 Promille). Es werden sich auch in seinem Blut Kokainstoffwechselprodukte (im Blutserum 214,2 ng/ml Benzoylecgonin und 26,2 ng/ml Methylecgonin) finden lassen. In einer langgestreckten Rechtskurve überholt er trotz durchgehender Mittellinie einen anderen PKW. Obwohl nach späterer Aussage von Zeugen genügend Zeit zum Wechseln auf die rechte Spur ist, schafft er es nicht, die linke Spur rechtzeitig zu verlassen. Cathi, Mara, Virginie und Toni bezahlen diese, seine Vergehen mit ihrem Leben.
Ich habe diesem ersten Absatz viel Advokatendeutsch untergemengt und möchte dazu etwas anmerken. Da ich diese Zeilen schreibe (03.02.2006) ist die Lage der Dinge so: Es hat einen Prozess vor dem Landgericht Sassnitz gegeben (19./20.09.2005). Es erging das Urteil, der Angeklagte wird zu 3 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und es wird ihm die Fahrerlaubnis für mindestens 4 Jahre entzogen. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft gingen gegen dieses Urteil in Revision. Im Umfeld des Todesfahrers sieht man wohl eine Chance, durch das Finden einer Mitschuld von Cathi ein noch milderes Urteil zu erlangen. Es ist einfach unerträglich ...

Der Freitag davor: Cathi bringt einen Stapel DVD's mit nach Hause, das Video von ihrem 18. Geburtstag. Nun können sie endlich, wie schon lange versprochen, auch an mich geschickt werden. Ich werde sie am nächsten Tag leider selber abholen können. Kerstin fragt nach, was Cathi am Sonntag essen möchte. Leibspeise wird gewünscht: Schweinelendchen mit Pilzen und Kroketten. Am Sonntag wird Kerstin dieses Essen für mich zubereiten. Und dann kommen diese Verkettungen, bei denen man hinterher immer so vieles erkennen will, was die Sache hätte vermeiden können, was selbst den eingefleischten Atheisten fast an Schicksal glauben lässt.
Cathi wollte eigentlich garnicht in die Disco gehen. Ins "Mah k'ina" ging sie wohl nur drei- bis viermal im Jahr. Aber es sollte eine 40-Grad Party geben, also ließ sie sich von einer Freundin überreden. Dann fragten sie bei Mara an, ob sie mitkommen wolle. Man könne doch mit Maras neuem Renault Clio hinfahren. Auch Mara lässt sich überreden. Da sie mit Maras Auto fahren, kann Cathi ja auf das Abholen durch ihren Freund verzichten. Dieser hatte sie eh gebeten, dass er vielleicht Nachts mal ausschlafen könnte und nicht den Fahrdienst für die Abholung übernehmen muss. Am Tag darauf wird er mir das erzählen.

Cathi letztes Foto Als Cathi sich verabschiedet, will Kerstin ihr einen Kuss geben. Cathi wehrt ab. Kerstin habe da ein Pickelchen am Mund, sowas mag sie nicht, da ekelt sie sich. Kerstin erklärt, resolut wie sie ist, wenn ihre Tochter ihr keinen Kuss geben will, dann wird sie sich eben einen Kuss holen. Sie jagen durch die Wohnung. Schließlich siegt die Mutter, nimmt sich ein Küsschen. Beide lachen und Cathi rennt schnell aus der Wohnung ...

Was dann im "Mah k'ina" geschah, weiß ich nicht. Geblieben sind uns zwei Bilder dieses Abends auf denen Cathi zu sehen ist. Das nächste Bild von Cathi sollte uns eine Zeitung mit großen Überschriften liefern. Aber das ist eine andere unerträgliche Geschichte.